Oder wie Google IT-Verlage zum Öffnen von Pandoras Büchse zwingt.
Auch wenn es uns manche nicht glauben wollten, war ein Aufrechterhalten der Trennung zwischen Redaktion und Anzeigen auch bei meinem Arbeitgeber IDG Schweiz (Publikationen PCtipp und Computerworld) bislang ein ehernes Gesetz. Es bedeutete: Die Anzeigenabteilung hatte bei redaktionellen Inhalten nicht dreinzureden. Und das war gut so. Über das Druckmittel der Onlinewerbung ist Google jetzt aber in der Lage, IT-Verlage wie den unsrigen zum Öffnen dieser Büchse der Pandora zu zwingen.
Böse YouTube-Tools
Nun hat’s also uns erwischt: Google hat am Freitagnachmittag das Ausliefern von AdSense-Werbung auf der PCtipp-Webseite gestoppt. Unser Verlag wurde aufgefordert, einige Anwendungen aus dem PCtipp-Downloadbereich zu entfernen. Würden wir dem nicht Folge leisten, werde unser AdSense-Konto dauerhaft deaktiviert, siehe Screenshot einer solchen Mail.

So sieht die Mail aus, in der Google die PCtipp-Redaktion zwingt, bestimmte Downloads zu entfernen.
Unter den rund 5000 Downloads im PCtipp-Downloadbereich waren auch einige Tools, mit deren Hilfe ein Anwender YouTube-Videos lokal speichern könnte. Das da sind einige davon: aTube Catcher, YouTube Songdownloader, YouTube Downloader, Free YouTube to MP3-Converter, Freemium TubeBox, Freerecorder, Free Studio, ClipGrap und Ashampoo Clip Finder.
Was haben wir gemacht? Richtig: die Tools von der Webseite genommen. Ich fühle mich übrigens an den Sommer 2008 erinnert. Damals entfernten wir wegen der Gesetzesänderung in Bezug auf die Umgehung «technischer Schutzmassnahmen für die Wahrnehmung von Rechten» schon einmal rund 70 Downloads von unserer Webseite (siehe PDF). So sehr wir damals auch redaktionsintern mit den Zähnen knirschten — wir hatten nicht einmal theoretisch eine Wahl. Vor fünf Jahren mussten die Tools zum Rippen von DVDs aus gesetzlichen Gründen weg. Das ist noch tolerierbar. Nun zwingt uns also auch Google dazu, weitere redaktionelle Inhalte zu entfernen.
Mir (und meinen KollegInnen im Verlag) ist schon klar, dass die theoretische Wahl weiterhin bestünde. Schliesslich ist niemand gezwungen, bei Google AdSense mitzumachen. Das macht diese «Friss oder stirb»-Situation aber nicht besser: Ohne Google ist im Onlineanzeigenmarkt kaum auszukommen. Das Unternehmen beherrscht in diesem Business quasi 100% des Marktes, in weiten Teilen der Welt, sicher aber in der Schweiz und der EU. Google Ads gehören aus verschiedenen Gründen sowohl bei Portalen als auch bei KonsumentInnen zu den «beliebteren» Werbeformen. Sie sind nicht so aufdringlich gestaltet, dass sie die WebsurferInnen wirklich stören könnten. Weil die Ads (wegen AdSense) oft thematisch zu den sie umgebenden Inhalten passen, landet darauf auch gerne mal der eine oder andere Klick. Dadurch profitieren auch die beworbenen Unternehmen davon. Die Ads lassen sich einfach verwalten, optisch ans Umfeld anpassen und bringen ansehnliche Werbeeinnahmen, auf die kaum ein Verlag verzichten kann. Auch IDG Schweiz nicht. In den Leser- und Verkaufszahlen stehen wir mit dem Printprodukt PCtipp im Vergleich zu anderen noch gut da. Aber auch wir spüren die fallenden Umsätze im Printbereich. Die Einnahmen im Onlinebereich fangen dies nur zum Teil auf. Und wie wir alle wissen: Paywalls funktionieren bei den KonsumentInnen nicht wirklich. Faktisch ist also der Verzicht auf Google Ads keine Alternative.
Übrigens: Moment mal! Kommt das denn wirklich niemandem bekannt vor? Ein milliardenschweres US-Unternehmen beackert auch in der EU einen Markt, in dem es quasi keine Konkurrenz gibt. Somit liegt ein De-Facto-Monopol vor. Ich will jetzt nicht «Microsoft» sagen, aber Google wäre nicht das erste grosse IT-Unternehmen, das von der EU saftige Bussen und Auflagen wegen des Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung kassiert.