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Wenn gute Leute schlechte Texte schreiben

Einer, der nor­ma­ler­wei­se alle Lat­ten am Zaun zu haben scheint, dem kri­ti­sches Den­ken erfah­rungs­ge­mäss bekannt ist — wie kann so jeman­dem ein so rich­tig schlech­ter Text entfahren?

Wie es pas­sie­ren konn­te, weiss ich auch nicht. Aber es ist pas­siert. Peter Schnei­der, Psy­cho­ana­ly­ti­ker, Tagi-Rat­ge­ber und öffent­lich-recht­li­cher Sati­ri­ker hat auf eine Leser­fra­ge zum The­ma “Brau­chen wir Reli­gio­nen?” so gro­ben Unsinn geant­wor­tet, dass sich (nebst mei­ner selbst) zumin­dest in mei­ner Fil­ter­bla­se so eini­ge gefragt haben, ob das sein Ernst sei. So fand ein Bekann­ter in einem Tweet: “Der Mann ist Sati­ri­ker” — wohl um zu impli­zie­ren, dass die Ant­wort so ernst nicht gemeint sein kön­ne. Ein ande­rer stell­te den Geis­tes­zu­stand des Autors in Fra­ge, was sehr unhöf­lich und belei­di­gend daher­kam. Jene Mit­frei­den­ke­rIn­nen, auf deren Mei­nung ich etwas gebe, haben ähn­lich reagiert wie ich: Was soll das? Wie kann Peter Schnei­der so ver­sa­gen? Wie­so macht er die glei­chen Feh­ler und Fehl­schlüs­se wie die gan­zen Stamm­tisch­phi­lo­so­phen? Was soll die­ser krampf­haf­te Ver­such des Religions-Apologetismus?

Der Text des Anstos­ses befin­det sich hier:
http://www.tagesanzeiger.ch/leben/gesellschaft/brauchen-wir-religionen/story/21110636

Mir ging es ver­mut­lich wie eini­gen ande­ren Reli­gi­ons­frei­en. Ich habe mich sehr geär­gert und konn­te direkt die Fin­ger auf meh­re­re Stel­len legen, die guten Grund für das Ärger­nis lie­fern. Nur fehl­te mir da die Zeit für eine Replik, die über ein get­wit­ter­tes “WTF!” hin­aus­ging. Zum Glück hat das ein Kol­le­ge über­nom­men. Clau­de Fan­k­hau­ser von den Ber­ner Frei­den­kern und Mit­glied des Frei­den­ker-Zen­tral­vor­stan­des hat in die Tas­ten gehau­en — und zwar gut:
https://frei-denken.ch/news/2017–07-19/kommentar-koennen-sie-besser-herr-schneider

Unsinn, beson­ders jener, der von pro­mi­nen­ten Jour­nis und “Influ­en­cern” kommt, soll­te man nicht unge­kon­tert lassen.

Who’s evil now? — Die AdSense-Erpressung

Oder wie Google IT-Verlage zum Öffnen von Pandoras Büchse zwingt.

Auch wenn es uns man­che nicht glau­ben woll­ten, war ein Auf­recht­erhal­ten der Tren­nung zwi­schen Redak­ti­on und Anzei­gen auch bei mei­nem Arbeit­ge­ber IDG Schweiz (Publi­ka­tio­nen PCtipp und Com­pu­ter­world) bis­lang ein eher­nes Gesetz. Es bedeu­te­te: Die Anzei­gen­ab­tei­lung hat­te bei redak­tio­nel­len Inhal­ten nicht drein­zu­re­den. Und das war gut so. Über das Druck­mit­tel der Online­wer­bung ist Goog­le jetzt aber in der Lage, IT-Ver­la­ge wie den uns­ri­gen zum Öff­nen die­ser Büch­se der Pan­do­ra zu zwingen.

Böse YouTube-Tools

Nun hat’s also uns erwischt: Goog­le hat am Frei­tag­nach­mit­tag das Aus­lie­fern von AdSen­se-Wer­bung auf der PCtipp-Web­sei­te gestoppt. Unser Ver­lag wur­de auf­ge­for­dert, eini­ge Anwen­dun­gen aus dem PCtipp-Down­load­be­reich zu ent­fer­nen. Wür­den wir dem nicht Fol­ge leis­ten, wer­de unser AdSen­se-Kon­to dau­er­haft deak­ti­viert, sie­he Screen­shot einer sol­chen Mail.

Mail von Google droht mit Deaktivierung von AdSense

So sieht die Mail aus, in der Goog­le die PCtipp-Redak­ti­on zwingt, bestimm­te Down­loads zu entfernen.

Unter den rund 5000 Down­loads im PCtipp-Down­load­be­reich waren auch eini­ge Tools, mit deren Hil­fe ein Anwen­der You­Tube-Vide­os lokal spei­chern könn­te. Das da sind eini­ge davon: aTu­be Cat­cher, You­Tube Song­down­loa­der, You­Tube Down­loa­der, Free You­Tube to MP3-Con­ver­ter, Fre­e­mi­um Tube­Box, Fre­e­re­cor­der, Free Stu­dio, Clip­Grap und Asham­poo Clip Finder.

Was haben wir gemacht? Rich­tig: die Tools von der Web­sei­te genom­men. Ich füh­le mich übri­gens an den Som­mer 2008 erin­nert. Damals ent­fern­ten wir wegen der Geset­zes­än­de­rung in Bezug auf die Umge­hung «tech­ni­scher Schutz­mass­nah­men für die Wahr­neh­mung von Rech­ten» schon ein­mal rund 70 Down­loads von unse­rer Web­sei­te (sie­he PDF). So sehr wir damals auch redak­ti­ons­in­tern mit den Zäh­nen knirsch­ten — wir hat­ten nicht ein­mal theo­re­tisch eine Wahl. Vor fünf Jah­ren muss­ten die Tools zum Rip­pen von DVDs aus gesetz­li­chen Grün­den weg. Das ist noch tole­rier­bar. Nun zwingt uns also auch Goog­le dazu, wei­te­re redak­tio­nel­le Inhal­te zu entfernen.

Mir (und mei­nen Kol­le­gIn­nen im Ver­lag) ist schon klar, dass die theo­re­ti­sche Wahl wei­ter­hin bestün­de. Schliess­lich ist nie­mand gezwun­gen, bei Goog­le AdSen­se mit­zu­ma­chen. Das macht die­se «Friss oder stirb»-Situation aber nicht bes­ser: Ohne Goog­le ist im Online­an­zei­gen­markt kaum aus­zu­kom­men. Das Unter­neh­men beherrscht in die­sem Busi­ness qua­si 100% des Mark­tes, in wei­ten Tei­len der Welt, sicher aber in der Schweiz und der EU. Goog­le Ads gehö­ren aus ver­schie­de­nen Grün­den sowohl bei Por­ta­len als auch bei Kon­su­men­tIn­nen zu den «belieb­te­ren» Wer­be­for­men. Sie sind nicht so auf­dring­lich gestal­tet, dass sie die Web­sur­fe­rIn­nen wirk­lich stö­ren könn­ten. Weil die Ads (wegen AdSen­se) oft the­ma­tisch zu den sie umge­ben­den Inhal­ten pas­sen, lan­det dar­auf auch ger­ne mal der eine oder ande­re Klick. Dadurch pro­fi­tie­ren auch die bewor­be­nen Unter­neh­men davon. Die Ads las­sen sich ein­fach ver­wal­ten, optisch ans Umfeld anpas­sen und brin­gen ansehn­li­che Wer­be­ein­nah­men, auf die kaum ein Ver­lag ver­zich­ten kann. Auch IDG Schweiz nicht. In den Leser- und Ver­kaufs­zah­len ste­hen wir mit dem Print­pro­dukt PCtipp im Ver­gleich zu ande­ren noch gut da. Aber auch wir spü­ren die fal­len­den Umsät­ze im Print­be­reich. Die Ein­nah­men im Online­be­reich fan­gen dies nur zum Teil auf. Und wie wir alle wis­sen: Pay­walls funk­tio­nie­ren bei den Kon­su­men­tIn­nen nicht wirk­lich. Fak­tisch ist also der Ver­zicht auf Goog­le Ads kei­ne Alternative.

Übri­gens: Moment mal! Kommt das denn wirk­lich nie­man­dem bekannt vor? Ein mil­li­ar­den­schwe­res US-Unter­neh­men beackert auch in der EU einen Markt, in dem es qua­si kei­ne Kon­kur­renz gibt. Somit liegt ein De-Fac­to-Mono­pol vor. Ich will jetzt nicht «Micro­soft» sagen, aber Goog­le wäre nicht das ers­te gros­se IT-Unter­neh­men, das von der EU saf­ti­ge Bus­sen und Auf­la­gen wegen des Miss­brauchs der markt­be­herr­schen­den Stel­lung kassiert.

Die Langweiligkeit des Schönen

Da ich nun mei­ne Noti­zen zur Peti­ti­on gegen die SRF Astro­lo­gie-Pro­pa­gan­da inkl. Medi­en­spie­gel hier ein­ge­klebt habe, will ich mal ernst werden.

Für die Medi­en war die Peti­ti­on ein tol­les Auf­re­ger­the­ma, das von ihnen selbst mit­be­feu­ert wur­de. Von den Initi­an­tIn­nen der Zür­cher Sek­ti­on der Frei­den­ker-Ver­ei­ni­gung ist kei­ne ein­zi­ge Pres­se­mit­tei­lung ver­schickt wor­den. Das Aus­mass der Bericht­erstat­tung (sie­he erwähn­ten Medi­en­spie­gel) war beacht­lich. Die Medi­en wit­ter­ten Blut und Trä­nen: Die Peti­ti­on rich­te­te sich gegen etwas, das für man­che Men­schen Bedeu­tung hat. Und qua­si «gegen» einen Promi. 

Wenn sich der­sel­be Absen­der kon­struk­tiv und posi­tiv betä­tigt, lässt das die Medi­en kalt. Ein paar Dut­zend recht gezielt ver­schick­te Mit­tei­lun­gen an die Medi­en und noch mehr Kon­takt­auf­nah­men an wis­sen­schaft­li­che Krei­se schaf­fen es nicht, das aktu­el­le Pro­jekt des Ver­eins auch nur ansatz­wei­se bekannt zu machen: Die Pre­mie­re von Camp Quest Schweiz.

Camp Quest ist ein wis­sen­schaft­lich-huma­nis­ti­sches Som­mer­la­ger für Kin­der. Die ers­ten Camp Quests sind in den Neun­zi­gern in den USA ent­stan­den, als Alter­na­ti­ve zu den reli­gi­ös gefärb­ten Bible Camps. Das Kon­zept hat auch in Gross­bri­tan­ni­en Fuss gefasst und fei­ert die­ses Jahr Schwei­zer Pre­mie­re. Der Schwer­punkt die­ses kon­fes­si­ons­frei­en Som­mer­la­gers liegt auch defi­ni­tiv nicht auf «Reli­gi­ons­ba­shing». Es spielt kei­ne Rol­le, ob die teil­neh­men­den Kids oder ihre Eltern einer Reli­gi­on ange­hö­ren. Das hät­te neben dem Ange­bot des Camps sowie­so kei­nen Platz: Kin­der und Jugend­li­che auf unver­krampf­te Wei­se an wis­sen­schaft­li­che The­men wie Bio­lo­gie, Phy­sik, Che­mie, Astro­no­mie und Phi­lo­so­phie her­an­zu­füh­ren und logi­sches, kri­ti­sches Den­ken zu fördern.

Wie das fas­zi­nie­ren­de Pro­gramm, das mei­ne Kol­le­gIn­nen auf die Bei­ne gestellt haben, im Detail aus­sieht, brau­che ich hier nicht noch ein­mal auf­zu­zäh­len, da das alles auf der Web­sei­te steht (und ich das auch in Medi­en­mit­tei­lun­gen mehr­mals zusam­men­ge­fasst habe). Camp Quest dreht sich um die Schön­heit und Viel­falt der Natur, die wun­der­ba­re Vor­her­seh­bar­keit der Phy­sik, um unse­re Geschich­te und um die Wei­te des Welt­alls. Und nicht zuletzt um unse­re eige­ne, klei­ne Fehl­bar­keit, derer wir uns auch im Zusam­men­le­ben mit Mit­men­schen bewusst sein sollten.

Ich fin­de, man­che Medi­en — viel­leicht nicht die­sel­ben, die sich auf die SRF-Astro-Peti­ti­on gestürzt haben — dürf­ten posi­ti­ven Ansät­zen und Ideen etwas mehr Raum bie­ten. Aber das Schö­ne und Kon­struk­ti­ve ist halt nicht schick genug für die Presse.