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Was habt Ihr gegen Madame Étoile?

Als ers­ten Bei­trag möch­te ich zur Sache «Frei­den­ke­rIn­nenn gegen Madame Étoi­le» etwas schrei­ben. Nicht, weil mir das im Moment beson­ders unter den Nägeln brennt, son­dern weil die­se Noti­zen bei mir noch her­um­la­gen und ich es scha­de gefun­den hät­te, sie ein­fach wegzuwerfen.

Wie mei­nem Feed auf Twit­ter, Face­book und Goog­le+ im Januar/Februar 2013 unschwer zu ent­neh­men war, gehö­re ich zum Unter­stüt­zungs­team einer Peti­ti­on, die von den Schwei­zer Frei­den­ke­rIn­nen, Skep­ti­ke­rIn­nen und der Gior­da­no-Bru­no-Stif­tung Schweiz lan­ciert und getra­gen wur­de: Kei­ne Gebüh­ren­gel­der für Schar­la­ta­ne­rie­pro­pa­gan­da. Die Peti­ti­on woll­te den Miss­stand behe­ben, dass das Schwei­zer Radio und Fern­se­hen (SRF) noch immer Sen­dun­gen mit pseu­do­wis­sen­schaft­li­chem, quack­sal­be­ri­schem Inhalt aus­strahlt. Kri­ti­siert wird von uns als Bei­spiel die Sen­dung Moni­ca Kis­s­lings ali­as «Madame Étoi­le» auf Radio SRF3. Als beson­ders kri­tik­wür­dig emp­fan­den und emp­fin­den wir noch immer die­se Punkte:

  • Die Dis­kre­panz in der Selbst­wahr­neh­mung der kri­ti­sier­ten Par­tei­en. Ein SRF-Spre­cher tut die Sen­dung als harm­lo­se Unter­hal­tung ab, wäh­rend sich die Astro­lo­gin selbst hart­nä­ckig als «seriö­se Erfah­rungs­wis­sen­schaft­le­rin» bezeich­net. Wenn sich schon die Zustän­di­gen im Sen­der nicht einig sind, unter wel­chem Eti­kett ein Gefäss ein­zu­ord­nen ist, wie soll denn das Publi­kum eine aus­rei­chend schar­fe Defi­ni­ti­on dafür fin­den? Astro­lo­gi­sche Bera­tun­gen kön­nen sehr ins Auge gehen. Sie­he Absatz «Gehts noch?». Es gibt Leu­te, die das sehr ernst neh­men und auf­grund sol­cher Rat­schlä­ge fata­le Ent­schei­dun­gen treffen.

  • Die Tat­sa­che, dass Frau Kis­s­ling neben ihrem SRF-Job ein Unter­neh­men betreibt, mit dem Ziel, die quack­sal­be­ri­schen Inhal­te gewinn­brin­gend zu ver­kau­fen. Das SRF bezahlt die Astro­lo­gin für die­se Sen­dun­gen und finan­ziert ihr damit ein Wer­be­fens­ter. Nor­ma­ler­wei­se ist es doch umge­kehrt: Es soll­te doch der Sen­der sein, der für Wer­be­fens­ter Geld ein­nimmt.
    Mei­ne Mei­nung: Wür­de Frau Kis­s­ling für das Wer­be­fens­ter bezah­len und wür­de dies als sol­ches dekla­riert, wäre das Pro­blem des Unsinn-Ver­brei­tens zwar nicht aus der Welt. Aber das Gebüh­ren zah­len­de Publi­kum wür­de mit sol­chem Mum­pitz nicht belas­tet und die poten­ti­el­len Astro­lo­gie-Gläu­bi­gen wären auf­grund des Wer­be­fens­ter-Hin­wei­ses viel­leicht etwas vorgewarnt.

  • Das SRF hat einen Infor­ma­ti­ons­auf­trag zu erfül­len und finan­ziert sich zu einem sehr gros­sen Teil über Gebüh­ren­gel­der. Es ist nicht trag­bar, dass Quack­sal­be­rIn­nen für ihre Wer­be­fens­ter aus dem Gebüh­ren­topf auch noch ent­löhnt werden.

«Gibt es nichts Wich­ti­ge­res zu tun, als auf der armen Frau Kis­s­ling her­um­zu­ha­cken?», mögen sich man­che fra­gen. Doch, es gibt immer Wich­ti­ge­res zu tun. Welt­frie­den, Welt­hun­ger, Umwelt­ver­schmut­zung, Gleich­be­rech­ti­gung, Bil­dung, Demo­kra­tie, Reli­gi­ons­frei­heit — über­haupt die Men­schen­rech­te — und so wei­ter sind Stich­wor­te und Anlie­gen, die auf Akti­vis­tIn­nen war­ten, die etwas tun. Und schon sind wir mit­ten­drin: bei huma­nis­ti­schen The­men. Aus der huma­nis­ti­schen Sicht kann die Mensch­heit die anste­hen­den glo­ba­len und indi­vi­du­el­len Pro­ble­me nur bewäl­ti­gen, indem sie wis­sen­schaft­li­che Erkennt­nis­se gewinnt und die­se unter Anwen­dung ethi­scher Leit­plan­ken zum Woh­le der Mensch­heit und ihrer Umwelt umsetzt. Was dem Anspruch des wis­sen­schaft­lich-huma­nis­ti­schen Den­kens im Weg steht, darf und soll kri­ti­siert und mit den ver­füg­ba­ren lega­len Mit­teln bekämpft wer­den. Immer.

Gehts noch?

Ich stel­le die­sen Arti­kel am 30. April 2013 ein, wobei die meis­ten Noti­zen vom Febru­ar 2013 her rüh­ren. Vor ein paar Tagen hat mir ein Bekann­ter zuge­tra­gen, dass er vor ein paar Mona­ten eine Wei­le lang auf einem Pri­vat­sen­der die Astro­lo­gie-Bera­tung von Mike Shi­va mit­ge­schaut habe. Er habe aber damals ab- bzw. umschal­ten müs­sen, als sich dort laut sei­ner Aus­sa­ge fol­gen­des zuge­tra­gen habe: Eine Frau rief in die Sen­dung an, die in einer Kri­se steck­te: Bezie­hung weg, ein Kind da, finan­zi­el­ler Not­stand, aber immer­hin noch ein Job, der sie lei­der nicht glück­lich mach­te. Ihr wur­de dann (bestimmt auch auf­grund astro­lo­gi­scher «Erfah­rungs­wis­sen­schaf­ten») gera­ten, den Job zu kün­di­gen. Ich wünsch­te mir, mein Bekann­ter hät­te Datum/Zeit jener Sen­dung notiert. Per­so­nen in Kri­sen­si­tua­tio­nen auf­grund völ­lig blöd­sin­ni­gen astro­lo­gi­schen Wischi­wa­schis zu sol­chen Schrit­ten zu raten, hal­te ich für kri­mi­nell. Es war ein Pri­vat­sen­der, was es nicht bes­ser macht. Und was lei­der auch durch die Peti­ti­on nicht abge­deckt wurde.

Kei­ne Hil­fe von den Sternen

Reli­gio­nen und Pseu­do­wis­sen­schaf­ten erwei­sen dem Ver­such, tat­säch­lich exis­tie­ren­de Pro­ble­me zu lösen, einen Bären­dienst. Sie zwei­gen vie­le der Res­sour­cen (z.B. Arbeits­kraft, natür­li­che Res­sour­cen, Geld und per­sön­li­che Initia­ti­ve) für den Selbst­zweck ab, statt sie direkt und wir­kungs­voll auf die Lösung der Pro­ble­me zu ver­wen­den. Für Hilfs­be­reit­schaft und ethi­sches Han­deln braucht es kei­ne von Men­schen erdach­ten «Über­we­sen». Und für die posi­ti­ve Beein­flus­sung unse­res indi­vi­du­el­len Schick­sals sind hell­se­he­ri­sche Kar­tentricks genau­so wenig dien­lich wie astro­lo­gi­sche Rechen­küns­te über will­kür­lich zu Stern­bil­dern ver­wo­be­ne, vie­le Licht­jah­re ent­fern­te Ster­ne, die angeb­lich heu­te — nur durch ihre Posi­ti­on! — unser Sein und Han­deln beein­flus­sen. Astro­lo­gie gilt als wider­legt — oder zumin­dest als in kei­ner Wei­se bewiesen.

Die Orga­ni­sa­tio­nen hin­ter der Peti­ti­on woll­ten und wol­len sich noch immer dafür ver­wen­den, wis­sen­schaft­li­ches und ethi­sches Ver­hal­ten zu för­dern. Ob nun die pri­va­ten Medi­en pseu­do­wis­sen­schaft­li­chen Unsinn ver­brei­ten und wie die­ser finan­ziert wird, müs­sen deren Ver­le­ge­rIn­nen und — län­ger­fris­tig — die Kon­su­men­tIn­nen selbst ent­schei­den. Bei einer öffent­lich-recht­li­chen Sen­de­an­stalt gel­ten ande­re Mass­stä­be, die im Fal­le des SRF auch im Infor­ma­ti­ons­auf­trag ver­an­kert sind. Und das ist es, wor­auf wir mit der Peti­ti­on hin­aus­woll­ten. Ein Sen­de­ge­fäss, das fak­tisch als Wer­be­fens­ter fürs pseu­do­wis­sen­schaft­li­che Kern­ge­schäft einer Ein­zel­per­son dient, darf nicht durch Gebüh­ren finan­ziert werden.

Spä­tes­tens jetzt dürf­te auch die Fra­ge auf­kom­men, ob ein reli­giö­ses «Wort zum Sonn­tag» oder eine «Stern­stun­de Reli­gi­on» im Schwei­zer Fern­se­hen noch Platz hat. Bei­de die­nen nicht als Wer­be­fens­ter für gewinn­ori­en­tier­te Orga­ni­sa­tio­nen. Inso­fern sind die­se Gefäs­se nicht von der Peti­ti­on betrof­fen oder damit qua­si «mit-gemeint» . Aus­ser­dem gab es die­sen Früh­ling zwei Sen­dun­gen «Stern­stun­de Reli­gi­on», in wel­chen auch reli­gi­ons­kri­ti­sche Stim­men zu Wort kamen.

Aus mei­ner per­sön­li­chen Sicht — da bin ich ehr­lich — könn­te zumin­dest das «Wort zum Sonn­tag» ein paar Ver­än­de­run­gen ver­tra­gen. Unge­fähr die Hälf­te aller Ein­woh­ne­rIn­nen emp­fin­den sich als gar nicht reli­gi­ös oder als ihren Kir­chen nicht beson­ders nahe ste­hend. Es stün­de dem SRF gut zu Gesicht, unge­fähr jede zwei­te Aus­ga­be jener Sen­dung mit nicht-reli­giö­sen Spre­che­rIn­nen zu beset­zen, die neue Impul­se geben und das Den­ken in ande­re, viel­leicht über­ra­schen­de Rich­tun­gen len­ken. Das kön­nen Leu­te aus dem huma­nis­ti­schen, wis­sen­schaft­li­chen Umfeld sein, aber auch Künst­le­rIn­nen, wie AutorIn­nen, Caba­ret­tis­tIn­nen, Fil­me­ma­che­rIn­nen und so weiter.

Frau­en und Esoterik

War­um fin­den so vie­le Frau­en Gefal­len an Astro­lo­gie und ande­ren eso­te­ri­schen Inhal­ten? Die­se Fra­ge stel­le ich mir schon sehr, sehr lan­ge. Bei der Über­ga­be der Peti­ti­on «Kei­ne Gebüh­ren­gel­der für Schar­la­ta­ne­rie­pro­pa­gan­da« war auch Mar­ko Kovic dabei, der den Anlass für die Schwei­zer Skep­ti­ke­rIn­nen doku­men­tier­te. Er füllt und pflegt den Pod­cast des Schwei­zer Skep­ti­ker­ver­eins. In die­ser Funk­ti­on hat er uns reih­um mehr­mals sein Dik­tier­ge­rät unter die Nase gehal­ten. Ich kam nicht dar­um her­um, auch etwas zu sagen. Er kon­fron­tier­te die mit­an­we­sen­de Frei­denk­er­kol­le­gin Fran­zis­ka und mich mit der Aus­sa­ge, dass vie­le Frau­en die Peti­ti­on ablehn­ten, weil sie die­se als frau­en­feind­lich ein­stuf­ten. Die­se For­mu­lie­rung war für uns Frei­den­ke­rin­nen eine ziem­li­che Überraschung.

Die Fra­ge, ob das ange­streb­te Astro­lo­gie-Mora­to­ri­um in öffent­lich-recht­li­chen Medi­en frau­en­feind­lich sei, steht für mich klar hin­ter einer ande­ren Fra­ge zurück: War­um suchen mei­ne Mit­frau­en denn astro­lo­gi­sche und ande­re eso­te­ri­sche Inhal­te? Sind alle «blöd», die das suchen? Sind Frau­en «blö­der» als Män­ner, weil sie eher auf die­se Inhal­te anspre­chen? Wür­de jemand die­se Fra­ge seri­ös erfor­schen, wäre ich eine inter­es­sier­te Lese­rin der Resul­ta­te. Viel­leicht hat das schon jemand getan. Im Moment der Peti­ti­ons­über­ga­be konn­te ich auf kei­ne Stu­di­en zurück­grei­fen, muss­te ein­fach mut­mas­sen und mei­ne eige­ne The­se anbieten.

Ich ver­mu­te, es ist die vie­len Frau­en bzw. Mäd­chen aner­zo­ge­ne Hal­tung, dass ihr per­sön­li­ches Wohl­erge­hen von Fremd­fak­to­ren abhängt. Von Fak­to­ren, die sie nicht selbst beein­flus­sen kön­nen. Schon mei­ner Mut­ter wur­de sei­tens ihrer Eltern (lei­der mit Erfolg, sie hät­te Talent gehabt) nahe­ge­legt, auf ein Stu­di­um zu ver­zich­ten, «weil sie ja sowie­so hei­ra­ten» wer­de. Sie sol­le sich dar­auf ver­las­sen, dass der Traum­prinz (Ehe­mann) sie schon glück­lich machen könne.

Vie­les hat sich seit­her bei den Rah­men­be­din­gun­gen geän­dert. Frau­en, die sich in Aus­bil­dung und Beruf rein­knien, wer­den nicht mehr nur als abar­ti­ge Eman­zen taxiert. Den­noch hält sich das alte Bild in vie­len von ihnen hart­nä­ckig — und das aus­ge­rech­net in den Erwar­tun­gen und Wün­schen eini­ger Frau­en selbst. Wäh­rend eine gute Aus­bil­dung für Män­ner als zukünf­ti­ge Ernäh­rer heut­zu­ta­ge immer noch qua­si Pflicht ist, um auf einen grü­nen Zweig zu kom­men, gilt das­sel­be für Frau­en auch hier­zu­lan­de immer noch so ein wenig als Luxus. Ich könn­te mir vor­stel­len, dass es immer noch vie­le Frau­en gibt, die unwis­sent­lich in einer Art archai­schen Prin­zes­sin­nen-Den­kens ver­haf­tet sind. Betref­fe es die sozia­le Sicher­heit, den Wohl­stand oder das pri­va­te Glück — jemand soll bit­te dafür sor­gen, dass die­se Hoff­nun­gen erfüllt oder deren Erfül­lung ermög­licht wer­den. Das wird der Traum­prinz sein, der auf der Bild­flä­che erscheint, um die­sen Ansprü­chen zu genü­gen. Die Alter­na­ti­ve — näm­lich ohne lie­ben­den Part­ner, ohne sozia­les Netz und ohne Fami­lie zu sein — ist eine schreck­li­che Visi­on. Frau­en, die das per­sön­li­che oder finan­zi­el­le Glück nicht fin­den, hof­fen nach wie vor auf den Kos­mos, auf Gott, auf unsicht­ba­re Wesen, auf das Schicksal.

Wahr­sa­ge­rIn­nen und Astro­lo­gIn­nen erhal­ten dar­um die wie­der­keh­ren­de und bestimmt lukra­ti­ve Auf­ga­be, die­sen Frau­en immer und immer wie­der zu bestä­ti­gen, dass die­ser Traum­prinz schon bald vor der Türe steht. Hier darf der Begriff des «Traum­prin­zen» durch­aus als Meta­pher her­hal­ten. Es muss sich nicht ein­mal um eine Per­son han­deln, die mit viel Geld und Lie­be eine Frau ins sozia­le Wohl­ge­fal­len kata­pul­tiert. Aber ich mei­ne bei den Anhän­ge­rin­nen der Astro­lo­gie die­se pas­si­ve Prin­zes­sin­nen-Hal­tung aus­zu­ma­chen: Die Idee, dass etwas von aus­sen kommt und im eige­nen Leben Wun­der bewirkt. Und die Aus­sicht dar­auf, dass es ohne eige­nes Zutun eintritt.

Jetzt müss­te ich mich hier dar­über aus­las­sen, dass frau ihr Leben selbst in die Hand neh­men sol­le, dass frau auf nie­man­den sonst ver­trau­en kann, als auf sich selbst, dass frau trotz­dem posi­tiv den­ken sol­le. Und so wei­ter. Aber das sind Tri­vi­al­re­zep­te, auf die hof­fent­lich jede frü­her oder spä­ter selbst kommt.

Glück­lich­sein ist ein Zustand. Ihn zu errei­chen bedarf es kei­ner kos­mi­schen Ener­gie, son­dern oft genug eige­ner Arbeit. Glück zu haben ist Zufall. Und von dem sind Frau­en wie Män­ner glei­cher­mas­sen abhängig.

PS: Den Medi­en­spie­gel zur Peti­ti­on fin­det Ihr hier.